Skript zum Artikel im DHV-Info 198, März 2016

>> Siehe auch das weiterführende Skript zum Artikel im DHV-Info 205!

Das Online-Tool ThermiXC erlaubt die Verwendung diverser Thermik-Modelle zur Streckenflug- Planung. Die Nutzung ist kostenlos und erfordert keine Software-Installation oder Registrierung.
Text und Fotos Bernd Gassner

ThermiXC  - XC-Planung mit Thermikmodellen

"Nutze die Thermik da, wo du sie findest, und nicht dort, wo du sie vermutest!"

Diese alte Fliegerweisheit begleitet mich seit meinen ersten Streckenflügen, als ich noch nicht im Traum daran dachte, dass man irgendwann auf Alu-Rohre und Fotodokumentation verzichten kann, aber dafür mit ausgefeilter Elektronik an den Start gehen wird. Entsprechend skeptisch war ich, als mir ein Freund von seinen Thermikpunkten auf dem GPS erzählt hat. Auch die Strecken-Planung am PC war lange Zeit nicht so mein Ding, Strecken muss man fliegen und nicht am PC zusammenklicken. Das GPS nutzte ich nur als Track-Logger und zur Anzeige der Geschwindigkeit über Grund.

Aber in unbekanntem Gelände bin ich immer mal wieder mit meinem Latein am Ende, der Flugstil wird unentschlossen oder ich treffe Fehlentscheidungen. Macht es wohl doch Sinn, sich Gelände, Thermikpotential und Routen-Optionen vorher mal genauer anzuschauen?
Will man den bekannten Rennstrecken folgen, findet man im Internet Unmengen von Tracks, um sich mit der Strecke vertraut zu machen. Möchte man aber Routen optimieren, Alternativen finden oder ganz neue Routen austüfteln, geht das nicht mehr so einfach.

Gibt es Unterstützung bei der XC-Planung anhand der Tracks, topografischer Karten und Satellitenbilder?

Thermap

Dr. Beda Sigrist ist engagierter Segelflieger. Sein interessantes Thermik-Modell Thermap basiert nicht auf einer Auswertung aufgezeichneter Tracks, wie das die meisten der bekannten Thermik-Datensätze und -Karten tun. Thermap wertet stattdessen topografische Informationen aus und liegt flächendeckend für die Alpen, die Pyrenäen und einige andere Gebiete vor (Link: www.aerodrome-gruyere.ch/thermap/d.htm).

Der Vorteil liegt auf der Hand: Will man sich aus den Pulks lösen und die Highways verlassen, haben die Track-basierten Thermik- Modelle bald ihre Grenzen erreicht. Nicht so Thermap. Hier wird mittels der frei verfügbaren 90 m SRTM Höhendaten die Hangneigung und Hangausrichtung berechnet. Abhängig von Hanglage und Oberflächenbeschaffenheit wird die thermische Energie gespeichert, und erst zeitverzögert entsteht daraus unser Bart. Thermap berücksichtigt das in der Modellrechnung, sogar die Jahreszeit-typische Schneelage. So hat Beda Karten der thermischen Qualität des Geländes berechnet, abhängig von Jahres- und Tageszeiten.
In einer weiteren, noch experimentellen Modellrechnung hat Beda seine Thermik-Karten für den 1. Juli, 12:00 Uhr, zu Thermap Hotspots (Thm Hotstpots) verdichtet und die zu erwartenden Steigwerte und Höhen abgeschätzt. Die Berechnung der Hotspots für andere Zeiten und die Ergänzung eines weiteren Zeitfensters vor 10:00 UTC ist noch in Diskussion.

Die Vorbedingungen dieses Ansatzes sollte man im Hinterkopf behalten. Das Modell geht von ungehinderter Sonneneinstrahlung aus, Abschattungen verändern das Ergebnis natürlich. Überregionale Windeinflüsse, Talwind-Systeme und vorgelagerte Abrisskanten sind nicht berücksichtigt.
Eine weitere Einschränkung ist eine gewisse Ungenauigkeit des Modells, da die Höhendaten im 90 m-Raster relativ grob sind und zudem die Kartenprojektion das Ergebnis je nach Position etwas verzerrt. Diese Abweichungen sind aber für die Flugplanung wenig relevant.

Was Thermap also für uns tut, ist eine wertvolle Interpretation der Topografie und Oberflächenbeschaffenheit, vor allem in den Bergen. Kleinräumige Geländeeigenschaften und die aktuellen Wetterverhältnisse müssen wir nach wie vor selbst berücksichtigen.
Beda veröffentlicht seine Thermik-Karten als JPG-Bilder und zur Ansicht in Google Earth. Die Darstellung in Google Earth ist plakativ, aber in der Handhabung etwas umständlich und die JPG-Bilder alleine sind auch nicht optimal zur Streckenplanung geeignet. Für mich ist das der Anlass, ThermiXC zu entwickeln: In Abb. 1 sehen wir die Grente mit Thermap für den 1. August, 10-11:00 UTC, dargestellt mit ThermiXC.

Skyways und KK7-Hotspots

Michael von Känel, alias KK7, hat hunderttausende Tracks aus über 20 Flugdatenbanken überlagert. Daraus entstehen die bekannten Skyways - eine sehr intuitive Darstellung der erflogenen Thermiken, nicht auf die Alpen und Pyrenäen beschränkt. Auf seiner Website bietet Michael zusätzlich die Möglichkeit, nach Datum und Uhrzeit zu selektieren. Diese zeitbasierte Auswahl der KK7-Thermik-Karten ist auch im XC-Planer verfügbar, während im DHV-XC-Portal derzeit nur die gesammelten Skyways angezeigt werden können (Link: http://thermal.kk7.ch/).

Auch Michael geht noch einen Schritt weiter und verdichtet diese Karten zu Hotspots. Diese Hotspots werden mit der Wahrscheinlichkeit bewertet, im Umkreis von 250 m zu diesem Punkt Aufwind zu finden. Das Modell verzichtet aber bewusst auf die Berechnung des Windversatzes, auch die mittlere Thermikstärke wird nicht ermittelt.
Während in selten beflogenen Gebieten die Verdichtung zu Hotspots weniger sinnvoll ist, hilft Michaels Methode, uns in stärker frequentieren Gebieten auf die besten Thermiken zu konzentrieren. Die Wegpunkte der Hotspots werden auf seiner Website zum Download angeboten, können auf das GPS kopiert und so im Flug genutzt werden. Hotspots sind gut geeignet, um sie alternativ oder zusätzlich zu Thermap anzuzeigen.
In ThermiXC werden die Hotspots nach Wahrscheinlichkeit und Zeit gefiltert. In weniger beflogenen Gebieten sind die wenigen Hotspots erst im höheren Zoom-Level erkennbar. Entsprechend der Thermik-Wahrscheinlichkeit sind die Thermikpunkte farblich markiert dargestellt: Gelb sind die unzuverlässigeren, Pink die sichersten Bärte, ein Klick auf den Thermikpunkt zeigt uns weitere Details.
In Abb. 1 überlagern wir Thermap mit KK7-Hotspots.

DHV-XC-Thermals

DHV-XC verfolgt einen alternativen Ansatz bei der Auswertung der Tracks, der auf dem etwas in die Jahre gekommenen Track2Thermik beruht. Die Datenbasis bilden alle beim DHV-XC-Wettbewerb eingereichten Flüge. Im Unterschied zum Michaels Auswertung werden die Thermiken nicht zu Hotspots verdichtet, sondern in Thermik-Klassen A bis E eingeteilt, die den erzielten Höhengewinn angeben. Ergänzend werden die mittleren Steigwerte und der Windversatz berechnet.
Im DHV-XC-Portal können die Thermikpunkte angezeigt und nach der Klasse selektiert werden. Die Steigwerte eines Thermikpunktes erhält man durch Klick auf diesen Punkt. Der Windversatz ist hier nicht ersichtlich. Der DHV bietet die Thermikpunkte zusätzlich auch als CSV-Datei zum Download an. Die umfangreiche Datei enthält Steigwerte, Höhen, Wind, Klasse und Zeitstempel (DHV-XC > Info > Thermik Datenbank oder per Link: (Link: http://www.dhv-xc.de/xc/modules/leonardo/data/files/leonardo_thermals2.csv).

Ohne weitere Bearbeitung oder Selektionsmöglichkeit im GPS ist die Datenmenge mit hunderttausenden von Thermikpunkten allerdings kaum nutzbar, zumindest auf den Rennstrecken der Alpen. Dafür stehen aber auch in manchen weniger beflogenen Gebieten noch DHV-XC-Daten zur Verfügung, wo wir kaum Hotspots finden können. Um der Datenflut Herr zu werden, lassen sich die DHV-XC-Thermals in ThermiXC nach Windversatz, Steigwerten, erreichter Höhe und Höhengewinn filtern. Die Thermikpunkte werden entsprechend der Windrichtung farblich unterschieden, in niedrigen Zoom-Levels werden Heatmaps angezeigt. In Abb. 2.1 und 2.2 sehen wir die DHV-XC-Thermikpunkte als Heatmap im Mai für den ersten und zweiten Schenkel der Hochfelln-Dreiecke.

Abb. 3 zeigt Kössen im Juni, KK7-Hotspots und DHV-XC-Thermik, eingeschränkt auf gute Bärte (>600 hm Höhengewinn, >2.000 m Basis, >2 m/s Steigen).

All-in-One

Alle diese Modell-Ansätze haben ihre Stärken, aber auch Einschränkungen, und das aktuelle Wetter müssen wir immer noch selbst beurteilen. Die einfache Möglichkeit, in ThermiXC einzelne Modelle ein- und auszublenden, mehrere davon zu überlagern und nach den jeweils verfügbaren Parametern einzuschränken, hilft uns aber, die Stärken der Modelle zu kombinieren, Fehler leichter zu erkennen und so unsere Strecken besser planen zu können.

Wie plane ich nun eine Route mit ThermiXC? Klickt man in ThermiXC auf einen Thermikpunkt, werden Details zu dieser Thermik angezeigt. Wir können auch beliebige andere Weg- oder Gelände-Punkte anklicken, die uns z.B. Thermap als thermisch ergiebig ausweist. Jeder Punkt lässt sich dann direkt als Wegpunkt für eine Route verwenden, oder um einen separaten Marker-Wegpunkt zu setzen. Wir könnten zum Beispiel bei weiten Talquerungen das Ziel auf der anderen Talseite als Routen-Wegpunkt anlegen und zusätzlich einen Plan B mit einem Marker-Wegpunkt kennzeichnen, der nicht direkt auf der Route liegen muss. Route und Marker laden wir dann herunter und kopieren unseren Plan auf das GPS.

Follow Me

Will man einzelne Tracks analysieren, wirft man die IGC-Dateien einfach per Drag & Drop auf die ThermiXC-Karte. Neben IGC- werden auch GPX- und KML-Dateien an der Datei-Endung erkannt und angezeigt.

Anfang Juni starteten Bernhard Peßl, Lex Robé und Werner Luidolt knapp hintereinander vom Stoderzinken. In Abb. 4 und 5 sehen wir den ersten und den letzten Abschnitt ihres großen Dreiecks. In der mit Thermap und KK7-Hotspots unterlegten Abb. 4 erkennt man gut, wie die Piloten zielstrebig der optimalen Route folgten (Tracks oben im Bild, südlich am Dachstein vorbei). In Abb. 5, beim Heimflug am Spätnachmittag, sind zusätzlich die DHV-XC-Thermiken eingeblendet (Tracks unten im Bild). Man sieht, dass die Piloten auch hier der durch die Modelle und Thermikpunkte nahegelegten Route recht genau folgten, ein punktgenaues Anfliegen der Thermik-Markierungen aber nicht immer Sinn macht. An diesem Tag herrschte im Flachau-Winkel zu dieser Zeit in Grat-Höhe deutlicher NWind, der sich im Versatz der Thermik-Kreise gegenüber den Thermik-Markierungen niederschlägt. Richtung Aich war der Wind schwächer und kam eher aus Ost (rechts im Bild).

Durch Klick auf die Karte, auf Thermikpunkte oder andere Wegpunkte kann man mit ThermiXC eine Route erstellen. So wird man vorgehen, wenn man eine eigene Strecke austüfteln möchte. Wir können aber auch einen Track zum Vorbild nehmen und nachfliegen. Dazu klicken wir auf das Pfeil-Symbol neben dem Track-Namen (Abb.6). Der automatisch erzeugte Routen-Vorschlag versucht, Umwege zu eliminieren und dem Track möglichst optimal und mit bester Höhe zu folgen. Dem fallen aber auch die Dreiecks-Wendepunkte zum Opfer, diese müssen wir also nachträglich nach eigenen Vorstellungen anpassen. Sicher macht es auch Sinn, die Schlüsselstellen genauer zu untersuchen und Punkte zu modifizieren oder einzufügen: Einen Routen-Wegpunkt verschiebt man einfach mit der Maus, oder man verschiebt den Mittelpunkt eines Streckenabschnittes und legt so einen neuen Wegpunkt an. Ein Klick auf einen Wegpunkt löscht den Wegpunkt wieder. Mit der Funktion Undo (back) lassen sich die letzten Änderungen auch wieder rückgängig machen. Wertungsstrecke und FAI-Sektoren werden angezeigt, Flugstrecke (253 km), Flugzeit (12:39 h) und Wertungspunkte (471 Punkte im DHV-XC) erscheinen im linken Bedienfeld. ThermiXC geht von 20 km/h Fluggeschwindigkeit aus - bei dieser großen Aufgabe zu langsam!
Klickt man auf die Geschwindigkeit, kann man Geschwindigkeit oder geplante Flugzeit einstellen (Abb.7).
Wir hoffen mal auf 10:00 Std. Airtime und müssten dafür 25,3 km/h entlang der geplanten Flug-Route schaffen. Bezogen auf die gewertete Strecke sind das dann 23,5 km/h.

Ich selbst werde sicher kleinere Brötchen backen, aber dieses Beispiel zeigt bereits die wichtigsten Funktionen von ThermiXC auf. Weitere Funktionen umfassen die Anzeige der Lufträume, Download der Flugpläne, Entfernungsmessung, Start- und Landeplätze, Suche nach XC-Contest-Flügen und anderes. Eine kurze Beschreibung der wichtigsten Punkte, die man bei ThermiXC beachten und wissen sollte, ist online in Englisch und Deutsch unter dem Menüpunkt Help & About verfügbar. Link: http://berndgassner.de/thermix.

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Bernd Gassner, © 2016